"Ohne soziale Sicherheit ist kein Staat zu machen" war das programmatische Motto des diesjährigen Parlamentarischen Abends der Caritas Mitarbeiterseite.
Zu der traditionellen Veranstaltung erschienen wieder zahlreiche Bundestagsabgeordnete und Gäste aus Gewerkschaften, Verbänden und der Caritas. In ihren Reden unterstrichen die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands Eva Welskop-Deffaa und Oliver Hölters die Bedeutung eines starken Sozialstaats.
Aus der Rede von Oliver Hölters, Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite:
"Die Krisen der vergangenen Jahre haben tiefe Spuren in Gesellschaft und Politik hinterlassen. Das Sicherheitsbedürfnis – außenpolitisch, innenpolitisch und sozialpolitisch – ist dadurch noch größer geworden. Gleichzeitig ist dieses Sicherheitsbedürfnis politisch immer schwieriger zu erfüllen.
Der Kern der Sozialpolitik ist die Sozialversicherungspolitik. Die gesetzliche Rente, die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sowie das Arbeitslosengeld I haben nichts mit Sozialleistungen zu tun. Es handelt sich um Versicherungsleistungen, auf die durch Beitragszahlungen Ansprüche erworben werden. Ich vermisse Sachlichkeit und Fairness in der Sozialstaatsdebatte. Im Sozialstaat ist es eben nicht so, dass die einen nur zahlen, während die anderen nur kassieren.
Soziale Sicherheit, das heißt beim Faktor Arbeit vor allem tarifgebundene Bezahlung und ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Das erfreuliche Bekenntnis zur Tarifbindung im Koalitionsvertrag darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Das angekündigte Tariftreuegesetz für Aufträge des Bundes muss zeitnah kommen. Genauso wichtig wie dieses Gesetzesprojekt ist aber eine langfristige, nachhaltige Strategie der Bundesregierung zur Erhöhung der Tarifbindung. Auch die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist ein ganz wichtiges Instrument zur Erhöhung der Tarifbindung.
In Tarifbindung steckt große demokratiestärkende Kraft. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Mitgliedschaft und Engagement in einer Gewerkschaft reale und gefühlte Machtlosigkeit überwinden, sind für populistische Parolen weniger anfällig. Sie stehen dort, wo sie gebraucht werden – in der Mitte der Gesellschaft.
Als Caritas-Mitarbeiterseite enttäuscht uns, dass die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen offenkundig kein politisches Ziel der neuen Bundesregierung ist. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das genauso unverständlich wie ungerecht.
Große Sorge bereitet uns die aufgeheizte Debatte um das Thema Arbeitszeit. Die Koalition plant, die tägliche Höchstarbeitszeit abzuschaffen und durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu ersetzen. Viele Teilzeitbeschäftigte, vor allem Frauen, stecken in unfreiwilliger Teilzeit fest, weil sie keine Vollzeitstelle angeboten bekommen oder weil es an verlässlicher Kinderbetreuung fehlt.
Der zweite begrenzende Faktor für immer mehr, immer längere, am besten pausenlose und möglichst deregulierte Arbeit ist die menschliche Gesundheit. Der Achtstundentag ist nicht willkürlich gesetzt. Er hat arbeitsmedizinische Grundlagen, die dem Gesundheitsschutz dienen. Häufige Überstunden und zu kurze Ruhezeiten machen krank. Genauso krank machen kann Flexibilisierung der Arbeitszeit, wenn keine verlässlich planbare Freizeit und Abschalten von der Arbeit mehr möglich sind.
Daher unser dringender Appell an die Bundesregierung: Flexible Arbeitszeitmodelle gehören in den ordnenden Rahmen von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.
Fakt in der Arbeitswelt ist jedoch, dass die meisten Überstunden unbezahlt geleistet werden. Die meisten Beschäftigten haben also wenig bis gar nichts von solchen Steuervorteilen. Hinzu kommt, dass Teilzeitbeschäftigte noch weniger Chancen haben, in den Genuss von Überstundenzuschlägen zu kommen. Steuerfreie Zuschläge sollen erst gezahlt werden, wenn das Arbeitszeitvolumen einer Vollzeitstelle überschritten wird.
Die schwierige Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die Gesundheitspolitik der nächsten Jahre prägen wird. Vor diesem Hintergrund ist richtig, dass die Bundesregierung sich vorgenommen hat, die Finanzsituation zu stabilisieren. Wichtig ist dabei das klare Bekenntnis zu den paritätisch finanzierten sozialen Sozialversicherungssystemen.
Ohne solidarische Verteilung der Krankheits- und Pflegekosten auf viele Schultern und alle Einkommensarten geht es nicht.
Quelle vom 22.05.2025